Die zunehmende Digitalisierung und Flexibilisierung revolutioniert unaufhaltsam die Arbeitswelt. Dabei gibt es auch problematische Aspekte. Gerade kleinere und mittelständische Unternehmen sollten sich dessen bewusst sein und ihre Arbeitskultur so anpassen, dass es nicht zu Demotivation, Fehlzeiten und anderen gesundheitlichen Kosten kommt, die nur schwer abzufedern sind.
Eine repräsentative Studie der Universität St. Gallen im Auftrag der Barmer GEK, analysierte im Sommer 2016 die Einflüsse der Digitalisierung (Arbeitswelt 4.0) auf die Gesundheit von Mitarbeitern im betrieblichen Kontext. Zeitdruck, technischer Anpassungsdruck, die Informationsflut und das ständige „Kommunikationsrauschen“, das mit Unterbrechungen und Zeitverlust verbunden ist, wie auch die Angst davor, das der Arbeitsplatz „weg digitalisiert“ werden könnte, werden von den Befragten als besonders herausfordernd beschrieben.
Wer schneller lebt ist früher fertig
Alarmierend dabei ist, dass die Studie signifikante Zusammenhänge dieser Faktoren mit emotionaler Erschöpfung (Burnout) und Konflikten zwischen Arbeit und Familie aufzeigt: 23% aller Befragten fühlen sich durch ihre Arbeit emotional erschöpft, im Durchschnitt also fast jeder Vierte. Und beim hohen Digitalisierungsgrad etwa in IT- und naturwissenschaftlichen Dienstleistungsberufen, in der Fertigung und im Bereich Unternehmensführung und Organisation, dürfte der Wert deutlich darüber liegen. Interessant ist, dass das Burnout-Risiko mit zunehmender Nutzung der Informationstechnologie zu Arbeitszwecken in der Freizeit steigt.
Zum Thema Flexibilisierung der Arbeit (zeitlich und örtlich) geben die Befragten der Barmer-Studie an, diese sei überwiegend positiv zu bewerten, da sie mit verringerten Arbeits-/Familienkonflikten einher gehen und emotionaler Erschöpfung entgegen wirken würde.
Die sozialwissenschaftliche Forschung sieht dies allerdings kritischer: Das Verschwimmen der Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit und die Auswirkung auf die Work-Life-Balance wird als „Entgrenzung“ der Arbeit bezeichnet. Diese erhöht das Risiko der Selbstausbeutung, sich zu sehr von der Arbeit vereinnahmen zu lassen, Überstunden zu leisten und der beruflichen Tätigkeit Vorrang vor den familiären und sozialen Lebensbereichen zu geben. Zahlreiche Studien erhärten, dass lange Arbeitszeiten zu gesundheitlichen Folgen wie Magen-Darm-Beschwerden, Rückenschmerzen oder Stressbelastung führen.
Wie kann man den Risiken begegnen
Auf Unternehmensebene braucht es aktiven Gestaltungswillen, will man sich nicht von der scheinbaren Kraft des Faktischen mitreißen und ständige Überforderung zur Norm werden lassen.
Fasst man die Handlungsempfehlungen verschiedener Studien zusammen, so ergeben sich Ansatzpunkte sowohl auf Seiten der Organisation als auch beim Verhalten des Einzelnen. Ein verantwortungsvolles Management muss die Voraussetzungen für einen bewussten und achtsamen Umgang mit Digitalisierung und Flexibilisierung durch die Mitarbeiter schaffen, die Qualität der Führungsbeziehung ist also ein entscheidender Faktor.
Auf Unternehmensebene gilt es, Informations- und Kommunikations-Prozesse auf ihre Effizienz hin zu überprüfen, Mitarbeitern mehr Einflussmöglichkeiten auf die Gestaltung und Menge der Arbeitsabläufe zu geben und Führungskräfte wie Mitarbeiter für die Chancen und Gefahren der Digitalisierung und Flexibilisierung zu sensibilisieren. Dazu gehört auch der Verzicht auf permanente Erreichbarkeit und das Fördern von digitaler Abstinenz in der Freizeit. Schulungen für Stressprävention sind heute durchaus schon verbreitet. Darüber hinaus wird Selbstmanagement zu einer der besonderen Schlüsselkompetenzen der digitalen Zukunft gehören.
Auf die Dauer wird eine in Hinblick auf die Digitalisierung achtsamere Unternehmenskultur nicht nur arbeitsrechtlich, sondern auch ökonomisch notwendig sein.